FLUSSABWÄRTS - REISEN, PROJEKTIONEN
von Daniela Hölzl
Text zur Ausstellung 2016
Die Fotografie eröffnet in Struktur und Funktion einen direkten Zugang zum Imaginären. Als Medium prägte sie seit ihren Anfängen das Bild der Ferne. Sie hält das Anderswo fest. Ihr Apparat repräsentiert, technisch wie psychisch, die Projektion.
Martin Eiter, Artist in Residence des Field Institute der Museums Insel Hombroich 2015, nimmt in analoger Technik die differenzierte Kargheit der Hochgebirgstäler Tirols wahr, erfindet diese wieder in der Wüste Nordafrikas. Er folgt den Flussläufen Donau abwärts, er fotografiert im Australischen Outback digital, technisch verfremdend. Die Imagination schreibt den Bildern fremde Blicke ein, die Ausarbeitung später Fehlfarben, dem Zufall überlassen. Projektionen im Wort- Sinn sind auch die Fotogramme – Kakteen, Bäume. Sie sind direkter Abdruck des Lichts, das auf die Objekte geworfen wird.
Die Kamera, das operative Setting der Fotografie, repräsentiert das Feld des Sehens, und somit das Prinzip des Imaginären, die Projektion. In diesem Feld der Projektion entfaltet Martin Eiter seine Recherche zwischen Malerei und Fotografie. Diese gilt dem Wesen der Wahrnehmung, ihren subjekt-konstituierenden Bedingungen, dem Verhältnis von Subjekt und Objekt.
Als klassisch ausgebildeter Fotograf nutzt Martin Eiter die funktionelle Struktur des Mediums um subjektive Prozesse des Sehens direkt um zu setzen und damit die intentionale Handlung, das „Bilder-Machen“ möglichst zurück zu nehmen. Besonders die analoge Fotografie, vorzugsweise im Mittelformat 6 x7 cm, schwarz/weiß, erlaubt es der Konstellation Apparat/Operateur (Vilem Flusser) eine Funktion zu werden, zur Aufnahme von Zeit, Bewegung und Licht, dem eigentlichen „photo-graphischen“ Element.Martin Eiter orientiert sich dabei nicht am Motiv „im richtigen Moment“. Besonders die in den Bergen seiner Heimat Tirol fotografierten Landschaften sind eher Natur-Studien, Licht-Bild-Aufnahmen, die in langen Belichtungszeiten diesen Wellen-Körper sich abzeichnen lassen. Wasser und Wind, Sturm, Schneefall, die Materialität der Landschaft, die Bewegung des Gehens und die Schwankungen der Hand, die eine schwere Kamera hält.....alle diese Prozesse offenbaren die Plastizität des Kontinuums.
Die Malerei fungiert hier als Spiegel der Fotografie, indem sie Flecken, verrinnende Spuren und eine feinst differenzierte Farbigkeit aus dem Abstrakt-Werden der Naturphänomene ableitet. Umgekehrt findet sich der malerische Einfluss in der sehr bewussten, intentionalen Verwendung von Dunkelkammer-Prozessen und auch in der Vorliebe für Fotogramme, die seit Jahren einen eigenen Werkkomplex bilden.Indem der Künstler in diesen Abbildern von Objekten das Licht als direkte bild-gebende Quelle sichtbar werden lässt, nimmt er die Beobachtende Position des Forschers ein. Dies entspricht auch dem neuerdings wieder stark diskutierten Aspekt der Fotografie als „Index“, dessen Zeichencharakter auf das physische Vorhandensein seines Referenten verweist.
„Die Spur des Realen als Zeichen“, obsolet geworden im Zuge der digitalen Revolution der Bildmedien, kehrt bei Martin Eiter wieder in der verfremdenden, manipulierenden Bearbeitung digital aufgenommener Bilder. Auf ausgedehnten Reisen und während längerer Arbeitsaufenthalte, zuletzt 2013 in Australien, nutzte der Künstler zunehmend digitale Medien. Dies jedoch nicht in der Absicht, diese Landschaften zu portraitieren und damit vielfach gesehene Erinnerungsbilder zu reproduzieren. Im Gegenteil – wieder wird hier Wahrnehmung zur prinzipiell offenen, konstruktiven Erfahrung. Wird das Double des menschlichen Auges, die Kamera, um die Fähigkeit Temperaturen wahrzunehmen erweitert, zeigen sich eine Wüstenlandschaft oder ein Bauwerk in grell leuchtenden Tönen. Konstruktiv und materiell agiert Wahrnehmung auch, wenn dem Zufall fehlender Druckerfarben die visuelle Erscheinung von Buschwerk und Gestrüpp überlassen wird. Nicht die Vorstellung des Künstlers erzeugt diese Bildvarianten, sie sind Spuren verschiedener Realitätsschichten. Zugleich zeigt sich in ihnen oft ein unerwartetes, unerkanntes Detail, welches wiederum der Vorstellungskraft des Betrachters/der Betrachterin das „eigentliche“ Bild zu erkennen gibt.
Projektionen finden sich nun ganz real in der Malerei. Martin Eiter projiziert den leeren Lichtstrahl eines Beamers auf die Leinwand, integriert ihn in die Flächigkeit des Bildes und lässt so sich öffnende Räume entstehen, zur weiteren Exploration des Gegenseitigen-sich-Erhellens von Malerei und Fotografie.
Der Punkt des Sehens liegt außerhalb des sich so konstituierenden Subjekts. Das Feld des Imaginären entfaltet sich im Blick, den die Dinge auf mich werfen. Wahrnehmung bedeutet ursprünglich spüren, die Spur der Dinge lesen. Die Positionen von Betrachter/Künstler und Welt/Bild sind wechselseitig verschränkt. Flussabwärts zu ziehen, sich treiben zu lassen von den Gebirgsbächen zu den Flüssen, zu den Wüsten lässt sich als Suche verstehen nach dem Photo-graphiert-Werden durch das Licht.
“Downstream - Travels, Projections”
Photography, through its function and structure, opens up direct access to the imaginary. As a medium it has shaped the impression of the remote. It freezes and records the “elsewhere”. It represents the projection both technically and psychologically.
Martin Eiter, in 2015 Artist in Residence at the Field Institute of Museumsinsel Hombroich, observes the distinct scantiness of highland valleys of Tyrol in analogue technique to find them again in the deserts of North Africa. He follows the courses of streams and rivers down to the Danube. He photographs the Australian Outback on digital and alienates it. The imagination is left to cast extrinsic views, to visualise, to leave to chance the elaboration of absent colors. The photograms – cactuses, birches – are projections in word and sense and direct impressions of light cast on those objects.
The camera, the operative setting of photography represents the field of seeing and therefore the principle of the imaginary, the projection. In this field of projection Martin Eiter develops his quest between painting and photography. This applies to perception, its constitutive conditions, the relation between subject and object.
Being a classically-trained photographer Martin Eiter uses the structure of the medium to realize the subjective processes and thereby retracting as far as possible from the intentional action of taking pictures. Particularly in analogue photography, preferable in medium format 6 x7 cm, black and white, the constellation of camera and operator (Vilem Flusser) allows a function to capture time, movement and light, the actual “photo-graphic” element. Martin Eiter does not orientate himself on the “right moment” for the motif. Especially the landscapes photographed in his homeland Tirol are more nature studies, capturing this body of lightwaves by long exposure times. Water and wind, storm and snowfall, the materiality of the landscape, the motion of walking and the unsteadiness of the hand holding a heavy camera…..all these processes reveal the plasticity of the continuum.
Painting functions here as the mirror of photography by conveying patches, melting traces and a finely differentiated chromaticity out of the abstraction of the natural phenomena. Conversely the influence of painting can be found in the awareness of intentional painting, its use in dark-room processes and as well in the preference for photograms which have been forming individual working complex for years. By using the element of light as a direct image-producing source the artist assumes the observing position of the researcher. This again correlates with the lately much discussed aspect of photography as an index sign indicating the physical presence of its contributing object.
Although the” trace of reality as a sign” has become obsolete in the digital revolution of pictorial media, it reoccurs in Martin Eiter´s work in the alienating and manipulating processing of digitally taken photos. On his extensive travels and long working stays, most recently 2013 in Australia, Marin Eiter increasingly used digital media. However this was not with the intention to portray the landscapes and produce sentimental images of well-known places. On the contrary- here again visual perception becomes an open and constructive experience. Should the function of the human eye´s technical twin, the camera, be expended by the ability to discern temperature, then a desert landscape or a building would appear in garish luminous colours. Perception operates both materially and constructively even then, when the coincidence of the missing printer´s ink lends the colouring to the undergrowth and bushes. It is not the imagination that produces these image variations. They are traces of differing levels of reality. At the same time unexpected unknown details often appear to lend power to the imagination of the beholder.
Projections are to be found nowadays quite literally in painting of the artist. Martin Eiter projects onto the canvas the pure light of a beamer, integrating it into the two-dimensionality of the picture to create spaces opening up for further exploration of the two-way illumination between painting and photography.
The point of seeing lies outside the subject, which is constituted by it. The field of imagination unfolds within the gaze, which the objects give me. Originally perception meant feeling, sensing the objects, reading their tracks. The positions of the observer/artist and the world/image are mutually interlaced. To make one´s way downstream, to drift from the mountain streams to the rivers, to the deserts can be understood as the search to be photo-graphed through light.
Text: Daniela Hölzl 2016