MARTIN EITER
“Downstream -- Travels, Projections” Exhibition 12.- 29. February 2016

von Daniela Hölzl

Photography, through its function and structure, opens up direct access to the imaginary. As a medium it has shaped the impression of the remote. It freezes and records the “elsewhere”. It represents the projection both technically and psychologically.
Martin Eiter, in 2015 Artist in Residence at the Field Institute of Museumsinsel Hombroich, observes the distinct scantiness of highland valleys of Tyrol in analogue technique to find them again in the deserts of North Africa. He follows the courses of streams and rivers down to the Danube. He photographs the Australian Outback on digital and alienates it. The imagination is left to cast extrinsic views, to visualise, to leave to chance the elaboration of absent colours.
The photograms – cactuses, birches – are projections in word and sense and direct impressions of light cast on those objects.

The camera, the operative setting of photography represents the field of seeing and therefore the principle
of the imaginary, the projection. In this field of projection Martin Eiter develops his quest between painting and photography. This applies to perception, its constitutive conditions, the relation between subject and object.
Being a classically-trained photographer Martin Eiter uses the structure of the medium to realise the
subjective processes and thereby retracting as far as possible from the intentional action of taking pictures. Particularly in analogue photography, preferable in medium format 6 x7 cm, black and white,
the constellation of camera and operator (Vilem Flusser) allows a function to capture time, movement and light, the actual “photo-graphic” element. Martin Eiter does not orientate himself on the “right moment” for the motif. Especially the landscapes photographed in his homeland Tirol are more nature studies, capturing this body of lightwaves by long exposure times. Water and wind, storm and snowfall,
the materiality of the landscape, the motion of walking and the unsteadiness of the hand holding a heavy
camera…..all these processes reveal the plasticity of the continuum.
Painting functions here as the mirror of photography by conveying patches, melting traces and a finely
differentiated chromaticity out of the abstraction of the natural phenomena. Conversely the influence of painting can be found in the awareness of intentional painting, its use in dark-room processes and as well in the preference for photograms which have been forming individual working complex for years.
By using the element of light as a direct image-producing source the artist assumes the observing position of the researcher. This again correlates with the lately much discussed aspect of photography as an index sign indicating the physical presence of its contributing object. Although the” trace of reality as a sign”
has become obsolete in the digital revolution of pictorial media, it reoccurs in Martin Eiter´s work in the alienating and manipulating processing of digitally taken photos. On his extensive travels and long working stays, most recently 2013 in Australia, Marin Eiter increasingly used digital media. However this was not with the intention to portray the landscapes and produce sentimental images of well-known places. On the contrary- here again visual perception becomes an open and constructive experience.
Should the function of the human eye´s technical twin, the camera, be expended by the ability to discern temperature, then a desert landscape or a building would appear in garish luminous colours. Perception operates both materially and constructively even then, when the coincidence of the missing printer´s ink lends the colouring to the undergrowth and bushes. It is not the imagination that produces these image variations. They are traces of differing levels of reality. At the same time unexpected unknown details often appear to lend power to the imagination of the beholder.
Projections are to be found nowadays quite literally in painting of the artist. Martin Eiter projects onto the canvas the pure light of a beamer, integrating it into the two-dimensionality of the picture to create spaces opening up for further exploration of the two-way illumination between painting and photography.

The point of seeing lies outside the subject, which is constituted by it. The field of imagination unfolds within the gaze, which the objects give me. Originally perception meant feeling, sensing the objects, reading their tracks. The positions of the observer/artist and the world/image are mutually interlaced.
To make one´s way downstream, to drift from the mountain streams to the rivers, to the deserts can be understood as the search to be photo-graphed through light.

Daniela Hölzl

FLUSSABWÄRTS - REISEN, PROJEKTIONEN


von Daniela Hölzl 
Text zur Ausstellung 2016

 

Die Fotografie eröffnet in Struktur und Funktion einen direkten Zugang zum Imaginären. Als Medium prägte sie seit ihren Anfängen das Bild der Ferne. Sie hält das Anderswo fest. Ihr Apparat repräsentiert, technisch wie psychisch, die Projektion.

Martin Eiter, Artist in Residence des Field Institute der Museums Insel Hombroich 2015, nimmt in analoger Technik die differenzierte Kargheit der Hochgebirgstäler Tirols wahr, erfindet diese wieder in der Wüste Nordafrikas. Er folgt den Flussläufen Donau abwärts, er fotografiert im Australischen Outback digital, technisch verfremdend. Die Imagination schreibt den Bildern fremde Blicke ein, die Ausarbeitung später Fehlfarben, dem Zufall überlassen. Projektionen im Wort- Sinn sind auch die Fotogramme – Kakteen, Bäume. Sie sind direkter Abdruck des Lichts, das auf die Objekte geworfen wird.

Die Kamera, das operative Setting der Fotografie, repräsentiert das Feld des Sehens, und somit das Prinzip des Imaginären, die Projektion. In diesem Feld der Projektion entfaltet Martin Eiter seine Recherche zwischen Malerei und Fotografie. Diese gilt dem Wesen der Wahrnehmung, ihren subjekt-konstituierenden Bedingungen, dem Verhältnis von Subjekt und Objekt.

Als klassisch ausgebildeter Fotograf nutzt Martin Eiter die funktionelle Struktur des Mediums um subjektive Prozesse des Sehens direkt um zu setzen und damit die intentionale Handlung, das „Bilder-Machen“ möglichst zurück zu nehmen. Besonders die analoge Fotografie, vorzugsweise im Mittelformat 6 x7 cm, schwarz/weiß, erlaubt es der Konstellation Apparat/Operateur (Vilem Flusser) eine Funktion zu werden, zur Aufnahme von Zeit, Bewegung und Licht, dem eigentlichen „photo-graphischen“ Element.Martin Eiter orientiert sich dabei nicht am Motiv „im richtigen Moment“. Besonders die in den Bergen seiner Heimat Tirol fotografierten Landschaften sind eher Natur-Studien, Licht-Bild-Aufnahmen, die in langen Belichtungszeiten diesen Wellen-Körper sich abzeichnen lassen. Wasser und Wind, Sturm, Schneefall, die Materialität der Landschaft, die Bewegung des Gehens und die Schwankungen der Hand, die eine schwere Kamera hält.....alle diese Prozesse offenbaren die Plastizität des Kontinuums.

Die Malerei fungiert hier als Spiegel der Fotografie, indem sie Flecken, verrinnende Spuren und eine feinst differenzierte Farbigkeit aus dem Abstrakt-Werden der Naturphänomene ableitet. Umgekehrt findet sich der malerische Einfluss in der sehr bewussten, intentionalen Verwendung von Dunkelkammer-Prozessen und auch in der Vorliebe für Fotogramme, die seit Jahren einen eigenen Werkkomplex bilden.Indem der Künstler in diesen Abbildern von Objekten das Licht als direkte bild-gebende Quelle sichtbar werden lässt, nimmt er die Beobachtende Position des Forschers ein. Dies entspricht auch dem neuerdings wieder stark diskutierten Aspekt der Fotografie als „Index“, dessen Zeichencharakter auf das physische Vorhandensein seines Referenten verweist.

„Die Spur des Realen als Zeichen“, obsolet geworden im Zuge der digitalen Revolution der Bildmedien, kehrt bei Martin Eiter wieder in der verfremdenden, manipulierenden Bearbeitung digital aufgenommener Bilder. Auf ausgedehnten Reisen und während längerer Arbeitsaufenthalte, zuletzt 2013 in Australien, nutzte der Künstler zunehmend digitale Medien. Dies jedoch nicht in der Absicht, diese Landschaften zu portraitieren und damit vielfach gesehene Erinnerungsbilder zu reproduzieren. Im Gegenteil – wieder wird hier Wahrnehmung zur prinzipiell offenen, konstruktiven Erfahrung. Wird das Double des menschlichen Auges, die Kamera, um die Fähigkeit Temperaturen wahrzunehmen erweitert, zeigen sich eine Wüstenlandschaft oder ein Bauwerk in grell leuchtenden Tönen. Konstruktiv und materiell agiert Wahrnehmung auch, wenn dem Zufall fehlender Druckerfarben die visuelle Erscheinung von Buschwerk und Gestrüpp überlassen wird. Nicht die Vorstellung des Künstlers erzeugt diese Bildvarianten, sie sind Spuren verschiedener Realitätsschichten. Zugleich zeigt sich in ihnen oft ein unerwartetes, unerkanntes Detail, welches wiederum der Vorstellungskraft des Betrachters/der Betrachterin das „eigentliche“ Bild zu erkennen gibt.

Projektionen finden sich nun ganz real in der Malerei. Martin Eiter projiziert den leeren Lichtstrahl eines Beamers auf die Leinwand, integriert ihn in die Flächigkeit des Bildes und lässt so sich öffnende Räume entstehen, zur weiteren Exploration des Gegenseitigen-sich-Erhellens von Malerei und Fotografie.

Der Punkt des Sehens liegt außerhalb des sich so konstituierenden Subjekts. Das Feld des Imaginären entfaltet sich im Blick, den die Dinge auf mich werfen. Wahrnehmung bedeutet ursprünglich spüren, die Spur der Dinge lesen. Die Positionen von Betrachter/Künstler und Welt/Bild sind wechselseitig verschränkt. Flussabwärts zu ziehen, sich treiben zu lassen von den Gebirgsbächen zu den Flüssen, zu den Wüsten lässt sich als Suche verstehen nach dem Photo-graphiert-Werden durch das Licht.    

 

 

 

“Downstream - Travels, Projections”  

 

Photography, through its function and structure, opens up direct access to the imaginary. As a medium it has shaped the impression of the remote. It freezes and records the “elsewhere”. It represents the projection both technically and psychologically.

Martin Eiter, in 2015 Artist in Residence at the Field Institute of Museumsinsel Hombroich, observes the distinct scantiness of highland valleys of Tyrol in analogue technique to find them again in the deserts of North Africa. He follows the courses of streams and rivers down to the Danube. He photographs the Australian Outback on digital and alienates it. The imagination is left to cast extrinsic views, to visualise, to leave to chance the elaboration of absent colors. The photograms – cactuses, birches – are projections in word and sense and direct impressions of light cast on those objects.

The camera, the operative setting of photography represents the field of seeing and therefore the principle of the imaginary, the projection. In this field of projection Martin Eiter develops his quest between painting and photography. This applies to perception, its constitutive conditions, the relation between subject and object.

Being a classically-trained photographer Martin Eiter uses the structure of the medium to realize the subjective processes and thereby retracting as far as possible from the intentional action of taking pictures. Particularly in analogue photography, preferable in medium format 6 x7 cm, black and white, the constellation of camera and operator (Vilem Flusser) allows a function to capture time, movement and light, the actual “photo-graphic” element. Martin Eiter does not orientate himself on the “right moment” for the motif. Especially the landscapes photographed in his homeland Tirol are more nature studies, capturing this body of lightwaves by long exposure times. Water and wind, storm and snowfall, the materiality of the landscape, the motion of walking and the unsteadiness of the hand holding a heavy camera…..all these processes reveal the plasticity of the continuum.

Painting functions here as the mirror of photography by conveying patches, melting traces and a finely differentiated chromaticity out of the abstraction of the natural phenomena. Conversely the influence of painting can be found in the awareness of intentional painting, its use in dark-room processes and as well in the preference for photograms which have been forming individual working complex for years. By using the element of light as a direct image-producing source the artist assumes the observing position of the researcher. This again correlates with the lately much discussed aspect of photography as an index sign indicating the physical presence of its contributing object.

Although the” trace of reality as a sign” has become obsolete in the digital revolution of pictorial media, it reoccurs in Martin Eiter´s work in the alienating and manipulating processing of digitally taken photos. On his extensive travels and long working stays, most recently 2013 in Australia, Marin Eiter increasingly used digital media. However this was not with the intention to portray the landscapes and produce sentimental images of well-known places. On the contrary- here again visual perception becomes an open and constructive experience. Should the function of the human eye´s technical twin, the camera, be expended by the ability to discern temperature, then a desert landscape or a building would appear in garish luminous colours. Perception operates both materially and constructively even then, when the coincidence of the missing printer´s ink lends the colouring to the undergrowth and bushes. It is not the imagination that produces these image variations. They are traces of differing levels of reality. At the same time unexpected unknown details often appear to lend power to the imagination of the beholder.

Projections are to be found nowadays quite literally in painting of the artist. Martin Eiter projects onto the canvas the pure light of a beamer, integrating it into the two-dimensionality of the picture to create spaces opening up for further exploration of the two-way illumination between painting and photography.

The point of seeing lies outside the subject, which is constituted by it. The field of imagination unfolds within the gaze, which the objects give me. Originally perception meant feeling, sensing the objects, reading their tracks.  The positions of the observer/artist and the world/image are mutually interlaced. To make one´s way downstream, to drift from the mountain streams to the rivers, to the deserts can be understood as the search to be photo-graphed through light.

 

Text: Daniela Hölzl 2016 

 

 

DIE RENATURIERUNG DES RETINA-BESITZERS  


von Elisabeth von Samsonow
Katalogtext (Auszug) 2004

 

 

  1. Ikonologie:

Was ist ein Bild, was ist ein Licht, was ist ein Gegenstand ?

 

Man könnte eine Linse auch als eine Vorrichtung auffassen, durch welche hindurch Welt angesaugt werden kann. Folglich müßte man, um besonders viel Welt zu fangen, die Linse nicht nur, wie das andere Photographen tun, irgendwelche Hundertstel Sekunden lang öffnen, sondern man stellt den Apparat mit geöffneter Linse wie der Großwildjäger seine Falle (die er mühsam auf dem Rücken ins Gebirge geschleppt hat) auf und wartet. Daß das größte aller Wesen hineingeht, das Licht. Die Photographien von Martin Eiter sind keine ‚Augenblicke’ , sondern Situationen, die durch die geöffnete Linse hindurch auf das empfindliche Papier fluten. Augenfällig ist dies in den Arbeiten, die einen Gebirgsbach zeigen, zum Hologramm verwackelt, der sich um als Dunkelheiten sichtbare Steine als Liniengewirr manifestiert, oder in vom Sturm gezausten Fichten, in den weißen Schnüren die Bildformate durchziehen und am Ende nichts anderes sind als ‚fallender Schnee’. Die Konstellation aus wahrnehmendem Künstler, Photoapparat und Objekt kommt in diesem Verfahren zu einer neuartigen Bedeutung, indem nämlich die Subjekt-Objekt-Gegenüberstellung nicht mehr automatisch vom Subjekt her definiert werden kann. Dieses geduldige Hinwarten und dieser fast plastisch w. vielschichtig erscheinende Lichtauftrag auf dem Photopapier (überflüssig zu sagen, daß Martin Eiter noch nicht einmal daran denkt, in das Lager der digitalen Photographie überzuwechseln) erzeugen eine Interferenz von Photograph und Photographiertem, die beide in einem Bildakt, um diese Vereinigung einmal so zu nennen, aufgehen läßt. Jedenfalls sieht man Subjekt und Objekt wie gleichstarke Sumo-Ringer ineinander verhackt, woraus dieser Zen-Moment jener Ruhe, jener Dauer oder kreativer Pause entsteht, der durch in Summe einander aufhebender Kräfte möglich wird. Bis hierher haben wir einmal den photographischen Akt, also den technischen Akt der Bilderzeugung beschrieben, der seine exakte Korrespondenz in der ontologischen Ladung der Photographien Martin Eiters – man will am liebsten Photo-Ontographien (Aufzeichnungen vom Sein des Lichts) sagen – hat. Aber wir haben jene Ebene unterdrückt, die den in der Dunkelkammer über die magischen Papiere gebeugten Photographen zeigt, welcher dort natürlich selektiv und interventionistisch hinsichtlich Belichtungsdauer, Körnung, Schärfe etc. operiert. Jeder weiß, daß dieser Arbeitsschritt ebenso entscheidend ist wie der von uns so genannte ‚Bildakt’, daß er ebenfalls einen ‚Bildakt’ darstellt, und trotzdem gibt es nur ausgesprochen nüchterne theoretische Dunkelkammerprosa. Nur der Retuscheur kann da noch Punkte machen, und das auch nur, weil er, der allgemeinen Auffassung nach, unter die sensationsträchtige Gattung der Fälscher gehört. Das, was er tut, ist deshalb aufregend, weil er die Onto-Photographie durchkreuzt, weil er die Photo-Ontographie nicht will, sondern das Konzept sehen lassen, hinter dem das sich treu entwickelnde Photo irgendwie zurückgeblieben ist. Der Photo-Ontograph im Labour hingegen ist nichts so Sensationelles – und trotzdem verrichtet er Bedeutsames. Martin Eiter ist gewissermaßen aus dem theoretischen und praktischen Dunkel der Dunkelkammer herausgetreten und hat der photographischen eine malerische Praxis zu ihrer Erklärung zur Seite gestellt. Die Bilder, die zu diesen Photographiengehören (oder ist es umgekehrt?) ähneln ihnen wie Geschwister: man sieht graue Töne, weiße, in allen nur denkbaren Abstufungen, sich auf diesen Bildern fleckenartig ausbreiten; sie sehen aus wie lebendig gewordene Farbkarten zu diesen Bildern – und sind in der Tat viel eher das, als ‚abstrakte’ Bilder. Sie sind nicht abstrakt, weil sie von Nichts abstrahieren; es handelt sich um Bilder, die sich präsentieren, als kämen sie aus einer Sphäre, in der es überhaupt keine Gegenstände gibt, nur die Schwarz-Weiß-Tonigkeit. Es ist eine Malerei der Dunkelkammer. Sie tritt uns als Tafelbild, auf Keilrahmen aufgespannt, gemalt oder geschüttet, entgegen. Sie wirkt zart und zögernd, sie ist die Suche nach einer Ikonologie dieser Photo-Ontographie. Erst wenn sich die Photographien und Bilder gegenüberstehen, sieht man die innere Kooperation zwischen dem Licht und dem Photographen. Erst wenn die Gleichartigkeit der Äußerungen und ihre Synchronisierung zur Darstellung gefunden haben, wird klar, um welche bildlogische Operation es sich bei der Kunst von Martin Eiter handelt. Es kommt einem so vor, als verstünde man nun besser, weshalb in Wien ein Kunsthistorisches und ein Naturhistorisches Museum einander gegenüberstehen und sich ineinander spiegeln. Aber es ist nicht mehr die romantische Idee einer erst in der Kunst zu sich selbst kommenden Natur, die hier im Spiel ist. Es bilden vielmehr diese einander zugeordneten Bilder, die unterschiedlichen medialen Horizonten angehören, eine Art bildhafter Reflexion, eine Bildlogik aus, die die Autonomie des Bildes immerhin soweit zu sichern bemüht ist, als sie das Wesen eines Bildes bzw. eines bestimmten Mediums innerhalb des Horizonts des Bildlichen zu klären sich anschickt. Aus diesem Grund kann man diese Bild-Konstellation, zu den Martin Eiter gefunden hat, als eine hypothetische Ikonologie verstehen, die tatsächlich Bilder durch Bilder ‚entwickelt’ und kommentiert. Es werden also keine Theologien aufgerufen, wie dies Louis Marin und viele andere in Bezug auf die zeitgenössische künstlerische Bildproduktion tun, es wird kein Unsichtbaren zitiert, das dann ein Medium für seine Erscheinung hingehalten bekommt (wie dies in der von Georges Didi-Huberman untersuchten Geisterphotographie in den Anfängen der Photographie der Fall war). Es wird das Photo in den Spiegel eines gemalten Bildes gehalten und umgekehrt, wodurch klar wird, in welcher Weise und auf welcher ästetischen Ebene ein sehender Künstler, mit einer lichtempfindlichen Retina ausgestattet (der eigentlich als Retina-Besitzer in das Kontinuum der ‚matiére nerveuse’ gehört), mit dieser Natur kooperiert. Er kooperiert nämlich mit ihr, indem er auch malt. Ich hatte schon gesagt, daß die Photographien von Martin Eiter Photo-Ontographien seien, um damit auszudrücken, daß ihnen sehr wohl noch die magische Aura anhaftet, die die Pioniere der Photographie an ihr wahrgenommen und herausgestrichen hatten. Das im Entwicklerbad schwimmende Photopapier ähnelt nun der in ihren Lasuren badenden Leinwand.

 

 

The Renaturation of the Retina-Owner

 

1.Iconology:

What is a picture, what is light, what is an object?

 

A photographic lens might also be considered as an intake device to suck in the world. In order to suck in as much of it as possible, the lens would consequently have to be opend not for a few split seconds only, as is done by other photographers; rather, the camera would have to be set up with the lens open, as an iron cage trap is set by the big-game trapper (after having carried it on his back all the way up into the mountains), to lure in the biggest of beings, light. Martin Eiter’s photographs are not ’instants’, but situations that pour themselves onto sensitive paper through the opend lens. This becomes particulary obvious in the works showing a mountain stream – blurred into a hologram – which manifests itself as a tangle of lines around stones discernible as dark spots, or in storm-ruffled spruce trees, in strands of white running through the picture which turn out to be nothing but ’falling snow’. The configuration of perceiving artist, camera, and object gains a new significance in this procedure, as the juxtaposition of subject and object is no longer automatically defined from the subject’s perspective. This patient waiting and this almost sculptural, or layered, application of light to photo paper (needless to say that Martin Eiter would not even consider changing over to digital phptography) creates an interference of photographer and photographed, which makes them merge in the pictorial act, if we may so call this unification. In any case, we see the subject and object interlocked like sumo wrestlers of equal strength, which brings on that Zen moment of stillness, that prolonged instant or creative intermission which is made possible by the equilibrium of offsetting forces. So far, we have for one thing described the photographic act, the technical act of image production, which has its exact correlate in the ontological charging of Martin Eiter’s photographs – one is tempted to call them photo-ontographies (recordings of the very essence of light).But we have disregarded the level of the photographer bending over the magic papers in his darkroom, where he operates with manipulative selectiveness with regard to exposure, grain, focus etc. Everybody knowsthat this step in the process is as crucial as the one that we have called the ’pictoral act’; that it is in fact a ’pictorial act’ in its own right, and yet, theoretical darkroom-work studies remain characteristically prosaic.The only one to score at least some points here is the retoucher, and only so because he belongs, by general opinion, to the somewhat sensationalist species of forgers. What he does is exciting because he thwarts photo-ontography; he does not want to bring out the photo-ontography; he does not want to bring out the photo’s ontography, but the underlying concept that a truthfully developed photograph would somehow fall short of. By comparison, the photo-ontographer in his lab is nothing sensational – and yet what he does is of considerable significance. In a way, Martin Eiter has stepped out of the darkroom’s theoretical and practical dark, juxtaposing photographic practice with an elucidative painterly one. The paintings that belong to these photographs (or is it the other way round?) resemble them like siblings: we see hues of grey, of white, in all imaginable shades, spreading in patches; they look like color cards of these pictures come alive – and in fact, that is what they are, rather than ’abstract’ paintings. They are not abstract, since they abstract from nothing; they are images that present themselves as if coming from a sphere where no objects exist, only black-and-whiteness. This is darkroom painting, confronting us as easel paintings, on stretchers, painted or poured. It appears delicate and reluctant; it is the search of an iconology of this photo-ontography. And it is only when photographs and paintings are juxtaposed that the inner cooperation between light and photographer becomes visible. Only when the likeness of articulation and their synchronization are given representational expression, it becomes clear what kind of pictorial logic Martin Eiter’s art operates on. Now, it seems, one can more easily understand why, in Vienna, a Museum of Art History and a Museum of Natural History stands across from one another, mutually reflecting each other. What comes into play here, though, is no longer the Romantic idea of nature coming to itself in art. Rather, these correlative pictures, which belong to different media horizons, formulate a kind of pictorial reflection, a pictorial logic that seeks to secure the autonomy of the picture, at least insofar as it attempts to account for the nature of a picture, or a specific medium, within the horizon of pictoriality. Thus, the picture constellations that Martin Eiter has arrived at can be understood as a hypothetical iconology which actually ’develops’ and comments picture by pictures. There are no theologies invoked here, as is done by Louis Martin and many others with regard to contemporary picture production, nor is the invisible conjured forth and offered a medium to make ist appearance (as happened in the spirit photography in the early times of the medium which was critically examined by Georg Didi-Huberman). The photo is held up to the mirror of the painting, and vice versa, which makes it clear in which way, and on which level, the seeing artist, provided with a light-sensitive retina (who, as a retina owner, actually would rather be part of the ’matiére nerveuse’, cooperates with nature, namely by doing also painting. I said before that Martin Eiter’s photographs are photo-ontographs, so as to say that they still have something of that magic aura about them which the pioneers of the medium observed, and emphasized, in photography. The photo paper in the developer bath now resembles the canvas bathed in washes of color.

 

Translation: Michael Strand

 

WAHRNEHMUNG, ZÖGERND ENTFALTET  


von Daniela Hölzl
Katalogtext (Auszug) 2005

 

„... constant in its swiftness as a pool.“ W.C.Williams

Nimm den Flug der Schwalben! Aber jedesmal wieder ist es nicht möglich, etwas durch etwas anderes zu beschreiben.

 

,fast nichts’ will die Malerei. Eine Falte im Gewebe des Sichtbaren schaffen, einem Rhythmus nachgehen, im Riß würde etwas figurieren (oder defigurieren). Ein Bild malen heißt, erst eine Fläche herstellen (den streng legitimierten Ort der figürlichen Einschreibung), heißt sie leer malen, weiß, bis die Textur der Leinwand offen daliegt. Ein anderes Feld entsteht, seine „ikonische Differenz“ wird durch Simultanität und Sukzession, durch die Gleichzeitigkeit verschiedener Erfahrungen definiert sein.

 

Dies ist eine Malerei der Flecken (und ruft die Landschaft einer Erinnerung hervor). ,Fleck’ ist zunächst eine Geste, angehaltene Bewegung. Zäsur und Unfall, der die Leinwand öffnet und negiert. Der Fleck setzt sich selbst und ein Gegenüber. Eine Vielzahl von Rinnspuren, nasse Felder, Abdrücke von anderen Bildern, die wie Blumen auskristallisieren, werden die Textur der Leinwand der seltsamen Logik der Spur aussetzen. Spuren tragen die Anwesenheit/die Abwesenheit ihrer Ursache als Bedeutung. Sie beziehen sich auf ,die Welt’ als indexalische Zeichen, auf sie hinweisend, ganz wie die Fotografie. Ein Gewebe von Zeichen, verzeitlichend/verräumlichend wie die Schrift, überzieht diesen Abschnitt, das ganze Format. Diese frühen Arbeiten kommen ohne Farbe aus; in schwarz-weiß-grau erinnern sie an die Verdichtungen der chinesischen Tusche-Malerei. Zugleich sollen dort das Bild, sein Motiv, der Maler und das Werden der Zeichnung zu sehen sein.

 

Eine Malerei aus Flecken ... der Fleck, macula, das Mal, malen. Die Malerei leitet sich her aus dem Ungeformten. Formlos ist der Anfang des Sehens, gesprenkeltes Glitzern. „L’informe“ nach dem Ausdruck von George Bataille das Mittel der Deklassierung, welches die strukturellen Oppositionen auszuhebeln, ihrer Gegenseitigkeit zu entgehen vermag. Die Ordnung des Zusammenfügens wird ausgesetzt, die Ähnlichkeit der „guten Gestalt“ wird unähnlich. Das ,Signé’ der Malerei enthält auch ihre Auflösung. Doch im Spiel von Nähe und Ferne setzt sich immer ein Bild zusammen – figurativ oder abstrakt. Martin Eiters Malerei hält diesen Moment in Schwebe, in sich wieder und wieder zurücknehmender Bewegung. Unabschließbar schwankt das Begriffspaar gegenständlich/ungegenständlich am Bildgrund. Nicht aufgelöst ist also die Ordnung der Struktur, eher aufgehoben, indem die Abwesenheit, ihre Nicht-Form, wirkt wie alles Sichtbare auch. Und dann: die Bilder scheinen oft um eine Leerstelle zentriert. Ein Loch, ein blinder Fleck, schält sich aus ineinanderliegenden Schichten und Feldern, die fast durchsichtig sind. Während Vorder- und Hintergrund, die Ebenen amorpher Formen und ihr textiler Träger nicht klar zu trennen sind, bleibt die Öffnung präsent. Es pulsiert hier nur eine leichte Verschiebung, eine Wiederholung, vielleicht eine Blickfalle. Zwischen den Schneeflocken, auf einem der schwarz/weiß Fotos, soll etwas Gestalt annehmen, im dichten Treiben. Aber die Flocken selbst ändern ihre Form, sie fallen dicht und schwer, werden wie Striche, oder tänzerisch zu Wirbeln.

 

 

 

 

„Es muß Tiefe geben, weil es einen Punkt gibt, von dem aus ich sehe, weil die Welt mich umgibt“, schreibt Merleau-Ponty in seinen Notizen zu „Das Sichtbare und das Unsichtbare“. Ein leichter Zweifel schwingt darin und ermöglicht das Bild, die Bilder. Für die Empfindung des ,In-der-Welt-sein’ kann kein Subjekt, kein Objekt isoliert werden. Bilder machen diese nicht-ursprüngliche Grenze sichtbar, entstehen um ihre Aufhebung herum. Ein bestimmtes Rot bildet „einen Knoten im Gefädel des Simultanen und kein Atom“; so beschreibt sich die Sichtweise der Flecken in dieser Malerei, nun da sie farbig geworden sind. Linien, Flächen enthalten keinen Hinweis auf eine Geschichte. Cadmiumgelb, Zinnoberrot oder ein stumpfes Grün: aus ihrem Gewicht, Ihrer Leuchtkraft erklärt sich nicht, wie es geschieht, wenn, ohne Verweis auf abstrakte Erzähltraditionen, Bedeutung entsteht, nur im Zusammentreffen von Nicht-Bedeutendem.

 

Flechtwerk, „entre-lacs“: In der Verschränkung des Geflechts sind Fläche und Materialität der Bilder durchwirkt von technischen und symbolischen Ebenen. Ihre Erscheinung ist eher durchbrochen, denn verwoben. H.Damisch nennt die Wirksamkeit der „Unterseiten“ der Bilder Verknotung, nicht Ineinanderliegen von Welt und Wahrnehmung. Diese Konfusion des Figur/Grund/Verhältnisses durchzieht die gesamte Arbeit von Martin Eiter. Die Auflösung von Wahrnehmung in Schneetreiben liegt im ,Umspringen’ von Fläche und Form. Wenn leicht schmutziges Grau, etwas zartes Rosa durch einen schiefen, angedeuteten Bogen zu einem weiten Feld sich öffnen und links, kohlschwarz wie Raben, zerfledderte Flecken ganz an der Oberfläche gesetzt sind, hält sich das Bild in einem offenen Spannungsverhältnis von Fläche und Malerei. Das nicht reduzierbare Paradox der „flachen Tiefe“ und eine daraus resultierende Dichte, Dickheit, bilden das Grundparadigma der modernen Malerei. „Ein Bildnis enthält zugleich Abwesendes und Gegenwärtiges, Angenehmes und Unangenehmes“, schreibt Pascal und fügt hinzu: „die Wirklichkeit schließt Abwesenheit und Mißfallen aus“. Im Bild, als einer immateriellen Textur, besitzen die Abwesenheiten positive Existenz; so wird die Malerei zum Modell unseren komplexen Wesens. Vor den Flecken und den Linien kommen die Knoten. Ihr logischer Vorrang erweist sich aus ihrer Topologie – nicht sichtbarer Einschnitt, Koinzidenz.

Ein Knoten bezeichnet den Ort, an dem etwas statt hat, sich ereignet. Er ist der Sturz die Treppe hinab und die Form des Teichs – seine stete Veränderung im sanften Schlag der Wellen gegen die Böschung wird sichtbar, als ein Vogel jäh auffliegt vom Ufer.

 

 

 

 

Perception, gradually unveiled

 

“... constant in ist swiftness as a pool.“ W.C. Williams

 

’swift’ : ’apus apus’

Take the flight of swallows ! But it is not possible to once again describe something in terms of something else.

 

’Almost nothing’ is what painting is after. Creating a fold in the tissue of the visible, tracing a rhythm, with something figuring (or disfiguring) in the fissure. To paint a picture first means to create a surface (the strictly legitimized locus of figural inscription), means painting it empty, white, until the texture of the canvas lies there bare. A different field evolves, its “iconic difference“ becoming defined by simultaneity and succession, by the co-existence of differing experiences.

 

This is a painting of spots (evoking a landscape of memory). ’Fleck’ (spot) is first a gesture, halted movment. Caesura, something accidental opening and negating the canvas. The spot posits itself and a counterpart. A multitude of rivulets, wet fields, imprints of other pictures that crystallize like flowers, subjecting the texture of the canvas to the strange logic of the trace. Traces bearing the presence/the absence of their origin as meaning. They refer to ’the world’ as an indexical sign, indicating it in the same way as a photograph. A texture of signs, temporalizing/spatializing similar to text, covering this section, that is to say: the format in its entirety. These early works can make do without color. In black-white-gray they resemble the condensations of traditional Chinese ink painting. At the same time the picture, its motif, the painter and the emergence of the drawing are to be made visible.

 

A painting consisting of spots ... the spot, macula, what in German is referred to as the ’Mal’ (in allusion to the different meanings of this word: mark, brand, sign, stigma.) Painting is derived from something amorphous. Formless is the beginning of vision, a mottled glitter. “L’informe“, which in keeping with George Bataille’s strategy of subverting all attempts at classification, undermines structural oppositions and evades their reciprocity. The order of composition is suspended, the similarity of the “good form“ becomes dissimilar. The ’signé of painting also implies its dissolutions. Yet in the play of proximity and distance an image continues to emerge – be it figuratively or abstractly. Martin Eiter’s painting keeps this moment suspended, in movement that he again and again takes back. Open-ended, the dichotomy of figurative/non figurative hovers over the ground of the picture. The overall structure is thus not dissolved but rather superseded thanks to the fact that absence, ist non-form, has an effect like everything visible. But then again the picture often seem centered around a blank spot – a hole, a blind spot, emerging from intercalated layers and fields that are almost transparent. While the foreground and background, the levels of amorphous shapes and their textile surface cannot be clearly delineated, the opening remains tangibly present. Here only a slight shift pulsates, a repetition, perhaps a visual trap. Between the snowflakes in one of the black and white photos something is meant to take shape in the dense flurries. But the flakes themselves change their form, they fall thickly and heavily, become like lines or dance like whirlwinds.

 

“There must be depth since there is a point from which I see, since the world surrounds me“, Merleau-Ponty wrote in his notes on “The Visible and the Invisible“. There’s a slight doubt resonating in this, but it is what makes it possible for the picture, the picture to emerge. For the sensation of ’being-in-the-world’ no subject, no object can be isolated. Pictures make this non-original boundary visible, emerge around its dissolution. A certain red creates “a node in the threads of the simultaneous but not an atom“. This is how the impact of the spots in these paintings might be described now that they have assumed color. Lines, surfaces contain no reference to a story. Cadmium yellow, vermilion or a dull green. Their wheight, their luminosity does not explain anything, does not say what happens, when without reference to any narrative tradition of abstraction, meaning emerges only in the encounter with non-significant.

 

Wickerwork, “entre-lacs“: It is in the texture that the surface and materiality of the paintings merge with technical and symbolic levels. Their appearance is rather brocken, woven. H. Damisch describes the effect of the “underside“ of the pictures as a knotting and not as fusion of world and perception. This confusion of the figure/ground/relation prevades Martin Eiter’s entire work. The dissolution of perception in snow flurries can be seen in the ’turn’ from surface and form. A slightly dirty gray, some soft pink peers through an oblique arch, one simply alluded to, to a wide field and to the left, black as a raven, tattered spots are placed on the surface. Thus the picture remains suspended in an open tension of surface and painting. The non-reducible paradox of “flat depth“ and the resulting density or thickness constitute the basic paradigm of modern painting. “An image contains something that is both absent and present, pleasant and unpleasant“, Pascal writes, adding: “reality excludes absence and displeasure“. In the painting, as an immaterial texture, the absences function as a positive existence. Thus painting becomes a model for our intrinsic complex essence. The spots and lines are preceded by the nodes. The logical primacy of the latter results from their topology, a non-visible incidence, coincidence.

A node designates an event, a place where something happens. It is like tumbling down the staircase or the constantly changing shape of a pond in the gentle beat of the waves against the embankment, only becoming visible once a bird sets flight.

 

Text: Daniela Hölzl 2005

Translated by Camilla Nielsen

 

 

 

 

 

 

 

SICHTBARKEITEN


Ein Gespräch über Fotografie und Malerei von Martin Eiter mit Johanna Hofleitner

 

 

JH: Deine künstlerische Arbeit besteht eigentlich aus zwei Elementen: da gibt es einerseits die Fotografie, andererseits die Malerei. Wie beurteilst du für dich das Verhältnis dieser beiden Medien zueinander? Stehen sie zueinander in einer Beziehung? Oder handelt es sich um zwei voneinander vollkommen unabhängige Dinge?

 

ME: Im Grunde sind es zwei separate Dinge, aber es gibt eine Verbindung, am ehesten das Schauen. Sie sind auf jeden Fall gleichwertig. Es gibt ja viele Maler bei denen die Fotografie der Malerei vorausgeht als eine Art medial vermittelter Realität, oder umgekehrt Fotografen, die sich auf das Tafelbild beziehen. Mir geht es nicht um eine derartige Vermittlung, die gegenseitige Beeinflussung findet auf einer grundsätzlicheren Ebene statt. Aber ich denke, man muss nicht unbedingt beides machen, um das Thema zu behandeln.

 

JH: An was für ein Thema denkst du da?

 

ME: An kein Thema im eigentlichen Sinn, aber eine Unterschiedlichkeit in Bezug auf Darstellung. Beim Foto gibt es immer eine reale Vorgabe, beim gemalten Bild ist die Malerei selbst das Reale, es ist hier nicht notwendig von einem Gegenstand auszugehen während man sich beim Fotografieren diesem nicht entziehen kann. Die Voraussetzungen sind also ganz anders, aber die Gegensätze ergänzen sich. In der Malerei versuche ich thematische Vorgaben zu vermeiden. Mir ist wichtig, dass sich eine offene, eine nicht-eindeutige Situation ergibt. Zugleich entkommst du dem aber auch nicht. Die Formen, die Flächen und Flecken sind ja als Vokabular der Malerei sehr lesbar.

 

JH: Bringt das die Malerei der Fotografie näher – im Sinn von Referenzen?

 

ME: Es gibt sehr klare Unterschiede, das eine haptisch, stofflich und real, das andere viel flacher – ein Foto ist eigentlich wie eine illusionistische Projektionsfläche. Gemeinsam und ganz unterrschiedlich ist auch der Umgang mit Zeit: ein Foto braucht ein paar Zehntel Sekunden Das Malen ist ein viel längerer Prozess, eine längere Dauer mit verschiedenen Schichten übereinander.

 

JH: Wenn für dich Fotografie und Malerei gleichwertig sind, ist das eine Art Kompensation? Fängt das eine Medium etwas auf, was das andere nicht leisten kann? Und: Besteht die Herausforderung darin, sich zwei Aufgaben zu stellen, die letztlich doch in Beziehung zueinander stehen?

 

ME: Wenn du visuell denkst und arbeitest, findest du Bedingungen und gehst darauf ein, beim Malen sind das ganz andere Bedingungen als beim Fotografieren, zugleich greifen die Interessen ineinander. Ein Ping-Pong das man gar nicht so genau benennen kann.

 

JH: Dennoch sind es schon in der Entstehung verschiedene Ansätze. Es handelt sich bei der Malerei und Fotografie ja nicht um zwei Medien, die das gleiche erreichen wollen...

 

ME: Nein, natürlich nicht. Bei der Fotografie gibt es ein sehr konkretes Außen: der richtige Ort, die richtige Zeit.

 

JH: Du hast vorhin vom visuellen Denken gesprochen. In welchem Verhältnis steht deine Fotografie für dich zur Kunst?

 

ME: Es geht mir dabei nicht um konstruierte Themenstellungen. Die Bilder sind genauso Material, visueller Ausgangspunkt und Ausschnitt, wie eine Landschaft – eine Umgebung, die mir vertraut ist und eine Form von Blick, so ergeben sich neue Bilder. Ich lasse sie auf mich zukommen, von daher ist das Thema immer das gleiche, unabhängig von Sonne oder Nebel.

 

JH: Malerei mit Fotografie?

 

ME: Das würde ich so nicht sagen. Nicht als malerische Fotografie. Mich interessieren mehr die Grundlagen, was passiert vor den Bildern. Was ist ein spezieller Moment? Aber sicher bin ich vom Zugang her, auch biografisch, eher Fotograf. Ich bin kein Maler, der die Fotos zu den Bildern macht.

 

JH: Aber auch nicht einer, der die Bilder zu den Fotos macht ...

 

ME: Es geht eher um Erfahrungen und Emotionen. Von der Fotografie kommt vielleicht das Gefühl für den Ausschnitt, ein bestimmter Umgang mit der Fläche der zugleich ein sehr zeitliches Moment darstellt Es gibt jedenfalls Anknüpfungspunkte in beide Richtungen.

 

JH: Die Umgebung, in der deine Fotos entstehen, ist die seit vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten vertraut. Macht dich diese Vertrautheit freier?

 

ME: Ich tu mir leichter. Die vertraute Landschaft muß ich nicht porträtieren. Ich will auch nicht bestimmte Plätze hervorheben. Sie sind Umgebung, in der ich eine bestimmte Präsenz finde. Diese muß sich dann in einem anderen Kontext, in einer Hängung erweisen: welche Verbindungen geht ein Foto ein?

 

JH: Aber unabhängig vom Kontext – sei es der einer Ausstellung oder, wie hier, der Raum des Mediums Zeitschrift – handelt es sich dennoch um Landschaften ...

 

ME: Ja, aber weil die Landschaft gegeben ist. Und ich bin ein Beobachter und schaue – sehr genau.

 

JH: Was ist das Spezielle dieser Landschaften? Eine ähnliche fotografische Herausforderung könnten doch auch andere Sujets bieten.

 

ME: Sicherlich. Es ist ein sehr persönlicher Zugang.

 

JH: Gibst du deinen Arbeiten Titel?

 

ME: Selten. Es sind höchstens Zusatzbezeichnungen.

 

JH: Für die eigene Unterscheidbarkeit?

 

ME: Ja.

 

JH: Dennoch gibt es wiederkehrende Momente und Themen. Wie auch in diesen Artist Pages geht es immer wieder um Berge, Wasser, Licht, Luft ...

 

ME: Wasser ist eine sehr ideale Fläche für Fotografen.

 

JH: Warum?

 

ME: Weil es Licht reflektiert. Dinge spiegeln kann. Dinge umdrehen kann. Intensiver machen und verdoppeln kann. Es erzeugt eine Unwirklichkeit. Etwas Zeitloses.

 

JH: Geht es darum, von der Wirklichkeit als etwas Gegebenem wegzukommen und ihre Ambivalenz aufzuzeigen?

 

ME: Die Wirklichkeit ist an und für sich sehr ambivalent. Für mich ist das eine ständige Frage und eine Auseinandersetzung: Was ist Wirklichkeit? Sie verändert sich ja, ist nicht fassbar. Da bewege ich mich drum rum – auch in der Zeit. Die verändert sich ja auch, die Sekunde selbst ist nicht sichtbar. Ohne ein Wissen von der Kamera kannst du das nicht sehen.

 

JH: Möchtest du mit deinen Fotos diese Ambivalenz, Mehrdeutigkeit, Nicht-Fixierbarkeit sichtbar machen?

 

ME: Das ist schon ein wichtiger Aspekt. Diese formale Beschäftigung mit der Landschaft gibt mir wichtige Anregungen. Aber dabei interessiert mich nicht, dass ein Bergrücken massiv und statisch ist. Viel mehr beschäftigt mich seine Sichtbarkeit: wie er sich verflüchtigt und verändert ... Es ist mir wichtig, dass man ihn nicht als monolithischen Koloss wahrnimmt. Ich versuche das aufzulösen und zu negieren. Es geht mir um die Kippe innerhalb der Sichtbarkeit. Innerhalb dieser Flüchtigkeit ist das Bild gleichzeitig wieder eine Ort.

 

JH: Heißt das, dass du als Methode auch Mittel wie beispielsweise die Unschärfe einsetzt, um auf diese Flüchtigkeit hinzuweisen?

 

ME: Diese Unschärfe entsteht nur durch die lange Belichtungszeit. Ich mache nie ein unscharfes Foto, arbeite aber mit langer Belichtung, mit hoher Blende und aus der Hand, ohne Stativ. Damit ist im Foto unweigerlich auch meine Bewegung vorhanden. Mich interessiert Genauigkeit nicht dahingehend, dass die Realität exakt abgebildet wird. Genauigkeit heißt für mich vielmehr, dass du eine Vorstellung davon bekommen kannst, was ich heute, jetzt, in der Situation erlebt habe. Ich kann ja nicht vorgeben, was man letztlich sieht.

 

JH: Du wählst also Momente einer bestimmten Situation – beispielsweise einer Wanderung aus...

 

ME:  Wenn ich fotografieren gehe, sind es meist keine großen Wanderungen. Die Kamera ist zu schwer. Aber dass ich gehe, mich bewege in der Landschaft, im Gebirge ermöglicht erst diesen Umgang mit Abbildung. Vor allem das Gefühl für einen bestimmten Moment, man muss dabei schnell und geduldig sein.

 

JH: Deine Aufnahmen sind eigentlich ziemlich menschenleer. Die eine Fotografie, auf der eine junge Frau und ein Hund abgebildet sind, bildet hier fast eine Ausnahme.

 

ME: Es ist nicht unbedingt ein festes Prinzip. Es gibt einige wenige Fotos mit Personen. Was mich an dieser speziellen Situation, die du da angesprochen hast, interessiert hat , ist dass beide – der Hund ebenso wie das Mädchen – auf das Wasser hinausschauen. Ins Blaue. Ich schaue den beiden beim Schauen zu. Es was ein glücklicher Zufall – die Verdoppelung, die Sichtbarmachung des Blicks.

 

JH: Könnte man sagen, dass das Sehen überhaupt ein Thema deiner Arbeit ist, ein Thema, das du auf unterschiedlichen Ebenen verhandelst?

 

Das Sehen ist sozusagen evident. Oft ist das Gesehene aber nicht fassbar, verschwindet gleich wieder. Damit kommen die flüchtigen Elemente wie Wasser und Luft ins Spiel. Das Bild baut auf einem Kontinuum der Bewegungen auf.

 

 

 

 

 

 

 

 

MARTIN EITER
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